Leider sind bereits in den siebziger und achtziger Jahren Fehlentscheidungen getroffen worden; also zu einer Zeit, in der woanders der Denkmalschutz bereits ein ernsthaftes Thema war. So wurde an einigen Stellen strukturell massiv in die gewachsene Substanz eingegriffen (Ärztehaus Herkomerstraße, Stadtsparkasse am Hauptplatz oder Neubau Kaufhaus Heimsch) oder am sensiblen Altstadtrand überzogen massiv gebaut (z.B. nördlicher Bereich der Lechstraße)
Grundsätzlich müssen natürlich auch bauliche Veränderungen in der Altstadt möglich sein. Dabei sind historisierende Ansätze, die vermeintlich weniger „auffallen“ nicht unbedingt die besten Lösungen. Allerdings bedeutet es auch nicht, dass der Gegensatz „alt – neu“ immer fruchtet, wie der wenig gelungene Rathausanbau zeigt.
Leider wird weder von der Bauverwaltung noch von den zuständigen Denkmalschutzbeauftragten den besonderen Anforderungen der historischen Altstadt Rechnung getragen. Die belebenden und unerwarteten Maßstabssprünge zum Beispiel wurden in den Eingriffen der letzten Jahre nie thematisiert, sondern zugunsten einer vermeintlich notwendigen Verdichtung ausgelöscht. Ein solches Vorgehen führt letztlich zur Zerstörung des Stadtbildes.
Leider sind gerade Vertreter des Denkmalschutzes mit der gestalterischen Beurteilung von Lösungsansätzen offensichtlich meist überfordert; sofern sie überhaupt über eine Architekturausbildung verfügen und nicht aus der Kunstgeschichte kommen.
Umso wichtiger wäre hier die steuernde Wirkung der Bauverwaltung; aber dazu bedürfte es einer konzeptionellen Vorstellung, und nicht nur sich ständig ändernder Linien der Genehmigungsfähigkeit. (So wurde eine Zeitlang jegliche Form von Oberlichtern verhindert, dann wieder exzessiv zugelassen und dafür wiederum ein absolutes Verbot von Dachfenstern erlassen.) Es braucht unseres Erachtens eine klarere Vorstellung von dem, was an Veränderungen auch in der Altstadt sinnvoll und notwendig ist; auch auf die Gefahr hin, dass man nicht jedem Bauwerber das Gleiche genehmigen kann. Es kommt immer auf die einzelne Situation an.
Die Verantwortung dafür muss von der Bauverwaltung und natürlich auch den damit befassten Stadträten und -rätinnen übernommen werden. Eine Deligierung an „Gestaltungsbeiräte“ hat sich nicht als besonders hilfreich erwiesen.
Umgestaltung Hauptplatz:
In diesem Zusammenhang muss auch noch zur Umgestaltung des Hauptplatzes einiges kritisch angemerkt werden, auch wenn alle froh sind, dass die Großbaustelle nun abgeschlossen ist.
Das Ergebnis ist in funktioneller Hinsicht durchaus verbesserungsbedürftig. Eine sichere Querung der Straße ist kaum möglich, die Entwässerungsrinne ist so angelegt, dass sie für Rollstuhlfahrer zur Falle wird und die eigentlich den Fußgängern vorbehaltenen breiteren Flächen entlang den Fassaden gerade im Bereich der Herkomerstraße werden teilweise hemmungslos zugeparkt. Diskussionsbedarf bieten unseres Erachtens auch die an der Hochseite des Platzes thronenden Taxis. Die zahlreichen provisorischen Verkehrszeichenständer vermitteln den Eindruck einer „Veramschung“ des Platzes.
Das überdimensionierte Buswartehäuschen war eine Planungsentscheidung, deren Unangemessenheit offenbar keinem Entscheidungsträger in dem langen Planungsprozess aufgefallen ist.
Wichtigstes Ziel ist daher die Mängel zu beheben, also Überlegungen, wie auch mobilitätseingeschränkte Menschen die Fahrbahn sicher überqueren können, und eine Verlegung des Taxistandplatzes z.B. in die nördlich an den Hellmaierplatz angrenzende verbliebene Parkbucht. Dort wären sie auch für Fahrgäste aus dem Bereich Hinteranger/Vorderanger besser erreichbar und im Sommer sogar beschattet. Die dort zur Zeit verbliebenen Stellplätze sind ohnehin nur umständlich und unübersichtlich anfahrbar.
Aktuell gilt es zu verhindern, dass der Belag auch noch in der Herzog-Ernst-Gasse verlegt wird, ein Ansinnen, für das es keinerlei gestalterische Begründung gibt. Die zu viel eingekauften Steine werden sicher in nicht allzu ferner Zukunft für Ausbesserungsarbeiten am Hauptplatz gebraucht werden.
Mittelfristig könnte eine Verkleinerung und Verlegung der Bushaltestelle in Richtung Herkomerstraße wenigstens die räumliche Grundstruktur des Platzes wieder besser zur Geltung bringen.
Schlossberg:
Falls der Schlossberg als Standort für die Mittelschule aufgegeben wird, wird die Zukunft dieses topograpfsch herausragenden Geländes schnell zum Thema werden. Leider ist bei der derzeitigen Finanzlage hier zu befürchten, dass anstelle einer besonnenen, schrittweisen Planung der „schnellen Verwertung“ der Vorzug gegeben wird.
Ob Landsberg wirklich ein Luxushotel mit Kongresszentrum braucht, wie es ja immer wieder mal in den vergangenen Jahrzehnten ins Spiel gebracht wurde, ist eingehend zu prüfen. Denkbar wäre auch eine Nutzung, zu der die Einwohner eine Beziehung aufbauen können. Sicher wäre eine behutsam eingefügte Stadthalle mit entsprechender Gastronomie vorstellbar; solange aber auch dafür die Mittel für eine fundierte Planung nicht aufzubringen sind, gilt es, Fehlentwicklungen für dieses Areal zu verhindern.
Infanterieplatz:
Nachdem zwei Kinocenter in den Nachbargemeinden gebaut wurden, ist die vormals angedachte Erweiterung des Olympiakinos wohl vorerst kein Thema mehr. Für künftige Überlegungen zur Bebauung dieses unmittelbar an die Altstadt grenzenden Areals sollten hohe gestalterische Qualitätskriterien gelten; der damals vorgelegte Entwurf erfüllte diese jedenfalls nicht. Leider ist der darauf bezogene Bebauungsplan immer noch in Kraft. Wieso man die Erschließung des „Parkplatzprovisoriums“ von der Lechstraße an die Kolpingstraße verlegt und die TG-Entlüftung zur Wohnbebauung hin angeordnet hat, bleibt ein Rätsel.
Was in Landsberg wirklich fehlt, sind bauliche Infrastrukturen für kulturelle Nutzungen. Während Städte wie Marktoberdorf oder Kaufbeuern seit Jahren über ansprechende und gut gemanagte „Kunsthäuser“ verfügen, gibt es hier nichts Vergleichbares; dabei wäre der Infanterieplatz ein guter Standort für eine solche Einrichtung. Einstweilen bleibt auch hier nur die Hoffnung, dass das Gelände in öffentlicher Hand bleibt und das Potenzial dieses Areals nicht verspielt wird.
Perspektiven Inselbad:
Vielleicht ist es grundsätzlich nicht möglich, ein öffentliches Freibad kostendeckend zu betreiben; aber alle Versuche, durch mehr „Fun“ die Attraktivität zu erhöhen und das Defizit zu begrenzen, sind ja offenbar gescheitert. Dennoch wurde vor einigen Jahren im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs der komplette Neubau der Anlage angeregt.
Angesichts der finanzielle Situation der Stadtwerke sollte man sich jetzt eher auf die Kernqualität des Inselbades, nämlich seine zentrale Lage im Stadtgefüge konzentrieren. Es soll ein sommerlicher Treffpunkt für Familien und Jugendliche sein, der auch ohne Auto zu erreichen ist. Mit den zahlreichen natürlichen Bademöglichkeiten und den bereits ausgebauten „Freizeitbädern“ der näheren Umgebung zu konkurrieren ist nicht zielführend.
Wenn der technische Unterhalt und der Zustand der Einrichtungen so schlecht ist, dass eine Totalsanierung notwendig wird, sollte auch ein Rückbau in ein „Naturbad“ angedacht werden; denn das war das Inselbad ursprünglich. Wir brauchen nicht zu betonen, dass der Verbindung mit dem Lechstrand eine herausragende Bedeutung für Landsberg zukommt, die es zu erhalten und auszubauen gilt.
Perspektiven Pflugfabrikgelände:
Dieses Gelände ist die letzte zusammenhängende, größere Entwicklungsfläche mit Bezug zum Lech und zur Altstadt. Entsprechend sorgsam sollte damit umgegangen werden. Es ist schon länger keine Rede mehr davon, die Ergebnisse des Planungswettbewerbs umzusetzen, der Anfang der neunziger Jahre durchgeführt wurde und dessen Vorbereitung und wechselnde Vorgaben zu wünschen übrig ließen.
Es bleibt zu hoffen, dass bei künftigen Planungsanläufen mehr Wert auf die Überlegung gelegt wird, welche Art des Wohnens und Miteinanders die Stadtgesellschaft als Ganzes benötigt.
Altstadtnahe Grünflächen
Diesem Aspekt wird leider kaum Rechnung getragen. Der Wildpark und die den Lech begleitenden Grünflächen können diese Funktion nicht allein übernehmen. Nur wenige Einwohner der Altstadt verfügen über einen Balkon oder eine Terrasse. Außer dem Lunapark und der Wiese nördlich des Amtsgerichts gibt es kaum Freiflächen. Für letztere war aber auch schon eine massive Überbauung angedacht, dabei ist dieses Areal die einzige Stelle, in der die ursprüngliche Lage der Stadt zwischen Lech und Steilhang wahrgenommen werden kann.
Im Zuge des Rahmenplans für die Grundstücke entlang des Mühlbachs hätte die Fläche zwischen Johanniskirche und Mühlbach (ehemaliger Friedhof zur Joh.K.) wieder als Grünfläche reaktiviert werden können. Leider wurde diese Möglichkeit gar nicht erst angedacht; jetzt droht hier auch eine maßstäblich zu dichte Bebauung.
Eine weitere Fläche mit dem Potential einer „grünen Insel“ wäre der Bereich nördlich des Roßmarkts (jetzt Parkplatz Vermessungsamt). Aber auch hier war bisher nur eine massive, unproportionale Überbauung angedacht; dabei könnte eine solche Grünanlage eine wunderbare Ergänzung einer Wegeverbindung vom Bäckertor entlang des Mühlbachs zur Sandauer Brücke sein.
Wenn man sich entschließen würde, die Hintere Salzgasse, den Flößerplatz und die Kolpingstraße als Spielstraßen nur für Anliegerverkehr umzuwidmen, ergäbe sich ein weitgehend verkehrsfreier, stadträumlich abwechslungsreicher Aufenthaltsbereich am westlichen Altstadtrand.
Wohnviertel
Wie fast überall dominieren auch in Landsberg ausufernde Neubauviertel die Stadtränder. Auch wenn sie zunehmend eingegrünt sind, ändert sich nichts an den strukturellen Defiziten wie z.B. der fehlenden Aufenthaltsqualität der öffentlichen Flächen.
Seit Mitte der achtziger Jahre gab es unter dem Namen „Wohnmodelle Bayern“ staatliche geförderte Versuche, bespielhafte Projekte umzusetzen, die individuelles Wohnen mit gemeinschaftlichen Flächen kombinieren, und das flächensparend und kostengünstig. In fast allen Städten des Umkreises wurden solche Siedlungen umgesetzt (Kaufbeuern, Fürstenfeldbruck, Germering, Weilheim, Rosenheim usf.), nur nicht in Landsberg. Hier hat man die großen Konversionsflächen der Bundeswehr lieber der schnellen Verwertung durch gewinnorientierte Bauträger zugeführt.
Dabei hätten die Flächen durchaus Potenzial gehabt. Natürlich ist gegenwärtig der Nachfragedruck nach Doppel- und Reihenhäusern aus dem Großraum München enorm, und wir müssen uns damit auseinandersetzen, ob wir als Stadt dem nachgeben wollen, ob es nochmal nennenswerte Stadterweiterungen geben kann oder nicht, und wenn ja, wie die aussehen sollen.
Es gibt in letzter Zeit wieder Ansätze, flächensparende und auf Gemeinschaft ausgerichtete Wohnquartiere
zu schaffen, ob auf genossenschaftlicher oder privatwirtschaftlicher Basis. Dafür ist aber auf jeden Fall eine vorausschauende Planung notwendig.
Anmerkungen zu aktuellen Projekten
Abriss und Neubebauung Supermarkt an der Augsburger Straße
Der Neubau des Supermarktes zur Nahversorgung insbesondere der Schwaighofsiedlung ist zu begrüßen.
Schade ist, dass hier ohne erkennbare Not eine Reihe gesunder, mächtiger Bäume entlang der rückwärtigen Erschließungsstraße gefällt wurden. Es stellt sich die Frage ob nicht zusätzlich stadtnahe Wohnungen auf der gleichen Parzelle hätten untergebraucht werden können, indem die ebenerdigen Flächen für den Einkaufsmarkt mit einer Wohnnutzung in einem Geschoss darüber kombiniert werden. Für eine solche Kombination der Nutzungen gibt es durchaus gelungene Beispiele. Ebenso hätte das Areal möglicherweise mit einer Tiefgarage unterbaut werden können. Es fehlen in altstadtnaher Lage so dringend Dauerstellplätze für Anwohner und Geschäftsleute, dass dies auf jeden Fall hätte mitüberlegt werden müssen.
Anbau an das Bayertor
Grundsätzlich ist die Schaffung neuer Wohnflächen im Altstadtbereich wünschenswert.
Leider wird mit dem nun wohl zu Realisierung anstehenden Projekt eine fragwürdige Ergänzung des einmaligen Bayertor- Ensembles vorgenommen.
Der Bereich entlang der östlichen Stadtmauer war ja stadtgeschichtlich durch eine bäuerliche Nutzung geprägt, und gerade das nördlich ans Tor angrenzende Anwesen hat das in seiner baulichen Struktur noch gezeigt. Warum hat man dieses Thema im Lauf der langen Planungsgeschichte nicht aufgenommen?
Als Ersatz für das abgerissene Scheunengebäude hätte man auch ein filigran mit Holz und Glas konstruiertes Nebengebäude einfügen können. Dies hätte den Anforderungen an die Wohnnutzung viel besser entsprechen können als die pseudomonumentale Flügelbebauung, die eine Symmetrie entstehen lässt, die dort völlig unangebracht ist.
Leider wurde dies weder durch den Denkmalschutz noch bei der konzeptionellen Behandlung der Aufgabe berücksichtigt.
Verfasser:
Peter J. Augustin, Dipl. Ing. Architekt (Univ.),Vorderer Anger 239, 86899 Landsberg